Landesärztekammer fordert bessere Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte in Universitätskliniken
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat im Rahmen ihrer Vertreterversammlung am 27. November die Landesregierung aufgefordert, alles zu unternehmen, um die Arbeitsbedingungen der an den Universitätskliniken beschäftigten Ärztinnen und Ärzte zu verbessern. Die Forderungen im einzelnen:
1. Wiederherstellung tariflich gesicherter Arbeitsbedingungen
Wir fordern, die bis zum vergangenen Jahr geltenden tariflichen Regelungen zum
Urlaubs- und Weihnachtsgeld und zur Arbeitszeit für alle Ärzte beizubehalten.
Begründung: In Folge der Kündigung der Tarifverträge zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld und zur Arbeitszeit durch die
Tarifgemeinschaft deutscher Länder kann das Land Baden-Württemberg als Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen einseitig
festsetzen. Die geänderten Bedingungen für Neuverträge, Vertragsverlängerungen und Höhergruppierungen betreffen
wegen kurzer Vertragslaufzeiten in erster Linie landesangestellte Universitätsärzte.
2. Längere Vertragslaufzeiten
Wir fordern Weiterbildungsverträge, deren Laufzeiten die komplette Weiterbildungszeit umfassen und die die
Weiterbildung zum Facharzt ausdrücklich zum Vertragsgegenstand haben. Für die Zeit nach der Weiterbildung fordern wir
den Abschluss langfristiger Verträge mit einer Laufzeit von mindestens fünf Jahren. Läuft ein befristetes Arbeitsverhältnis
aus, muss mindestens drei Monate zuvor eine schriftliche Mitteilung ergehen, ob es zu einer Verlängerung kommt.
Begründung: Auf diese Weise bleiben die Universitätsklinika gegenüber nicht universitären Krankenhäusern
konkurrenzfähige Arbeitgeber, und nur so wird uns für unsere persönliche Lebensgestaltung, aber auch für
wissenschaftliche Projekte ein hinreichender Planungshorizont gegeben.
3. Vergütung sämtlicher Arbeitsleistungen
Wir fordern die vollständige Erfassung und Vergütung aller Arbeitsleistungen in Krankenversorgung, Lehre und Forschung
in allen Universitätskliniken und Instituten.
Begründung: Die Nichtabgeltung von geleisteten Überstunden widerspricht den bisherigen tarifvertraglichen Regelungen.
Wir sind nicht mehr bereit, die Krankenversorgung, Forschung und Lehre durch unabgegoltene Überstunden zu
subventionieren.
4. Angemessene Vergütung
Wir fordern ein Vergütungssystem, das die Verantwortung und die Leistungen der Ärzte an den Universitätskliniken
angemessen berücksichtigt. Eine vorschnelle Einführung von neuen Arbeitszeitmodellen, wie derzeit in Freiburg, ist
nicht akzeptabel.
Begründung: Ärztinnen und Ärzte in Universitätskliniken erbringen medizinische Hochleistungen. Das derzeitige Vergütungssystem
berücksichtigt die ärztliche Erfahrung und insbesondere die Verantwortung nur ungenügend. Die besseren Vergütungen
an kommunalen Krankenhäusern, im Ausland sowie in Industrie und Wirtschaft führen zu einer kontinuierlichen
Abwanderung von hoch qualifizierten Kräften und zu einem eklatanten Nachwuchsmangel. Arbeitszeitmodelle müssen die
Erfordernisse der Weiterbildungsordnung und den Forschungsauftrag der Universitätsärzte berücksichtigen.
5. Verbesserte Bedingungen für Forschung und Lehre
Wir fordern definierte Zeiträume für Forschung und Lehre.
Begründung: Forschung und Lehre sind wesentliche Bestandteile der Tätigkeit von Ärzten an Universitätskliniken. In
keinem Fall ist es hinnehmbar, dass Forschung und Lehre zur Privatsache erklärt werden. Eine
"Feierabend-Forschung", wie sie derzeit in Deutschland in der Humanmedizin verbreitet ist, kann international
auf Dauer nicht konkurrieren.
6. Originäre ärztliche Tätigkeiten
Wir fordern die Fokussierung unserer Arbeit auf die originär ärztlichen Tätigkeiten durch die Reduktion der nicht-ärztlichen
Aufgaben auf ein Minimum.
Begründung: Eine suffiziente ärztliche Therapie erfordert ausreichend Zeit mit, für und am Patienten. Schreib-,
Organisations- und Dokumentationsarbeiten können durch entsprechend geschultes, nicht-ärztliches Personal effektiver
und wirtschaftlicher erledigt werden.
7. Medizinische Qualifikation stärker fördern
Wir fordern für jede Klinik die Erstellung eines Weiterbildungscurriculums in Anlehnung an die Weiterbildungsordnung
mit verbindlichen Rotationszeiten und Etappenzielen. Wir fordern, die Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten besonders
zu unterstützen. Für den Besuch von Kongressen, Fortbildungsveranstaltungen, Workshops u.a.m. müssen ausreichend
Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Vergabe der Mittel sollte transparent sein und nach festgelegten Kriterien
erfolgen.
Begründung: Die Akquisition motivierter und leistungsbereiter Nachwuchskräfte wird in Zukunft nur noch gelingen, wenn
die Fort- und Weiterbildungsqualität hohen Standards entspricht und im internationalen Vergleich konkurrenzfähig ist.
8. Nebentätigkeitsregelung
Wir fordern eine transparente, verständliche und auf die einzelne Tätigkeit abgestimmte Genehmigungsregelung von
Nebentätigkeiten. Wir lehnen ein generelles Verbot von Nebentätigkeiten, z.B. als Notarzt oder für
Praxisvertretungen, ab.
Begründung: Ein generelles Nebentätigkeitsverbot stellt einen erheblichen Nachteil in der beruflichen
Weiterentwicklung dar.
9. Transparenz und Mitsprache
Wir fordern die Einbeziehung der gewählten Sprecher der Ärzte in die Organisation und Entscheidungsprozesse der
Kliniken und des Klinikumsvorstandes. Wir fordern die Offenlegung der betriebswirtschaftlichen Prozesse und Bilanzen für
die ärztlichen Entscheidungsträger. Wir fordern, die ärztliche Vertretung in die Satzung der Universitätsklinika
aufzunehmen.
Begründung: Ärztinnen und Ärzte in den Universitätskliniken, die unterhalb der Leitungsebene arbeiten, werden als
Gruppe mit ihren Anliegen zu wenig wahrgenommen. Nur wer regelmäßig in Entscheidungsprozesse eingebunden wird, kann
dauerhaft Mitverantwortung für den Erfolg des Klinikums als Unternehmen übernehmen.
Die geforderten Veränderungen sind geeignet, die Motivation der Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken für ihren Beruf und ihr hohes Engagement zu erhalten. Sie tragen dazu bei, den Arbeitsplatz Universitätsklinik wieder attraktiv zu machen und einen Verlust an Qualität zu vermeiden.
Stand: 29.11.2004
Zurückletzte Änderung am 29.11.2004