Hochschulmedizin in - nicht nur finanzieller - Not

Medizinische Maximalversorgung an den baden-württembergischen Universitäten in Gefahr. Experten-Workshop fordert bessere finanzielle Ausstattung der Uniklinika

Kann das Bedürfnis von Patienten nach bestmöglicher Versorgung in den Universitätsklinika des Landes auch in Zukunft noch befriedigt werden? Führen die Sparmaßnahmen des Landes zu Engpässen in der hochschulmedizinischen Krankenversorgung? Hat die medizinische Forschung im Südwesten eine Zukunft? Werden neue Behandlungsmethoden noch allen zugute kommen können? 

Diesen und ähnlichen Fragen gingen Experten aus Wissenschaft, Forschung, Ärzteschaft und Politik im Rahmen eines Workshops der Landesärztekammer Baden-Württemberg nach. Sie identifizierten zahlreiche akute Probleme: Alle Universitäts-Klinika klagen über Finanznot und werden vor dem Hintergrund der DRG-Fallpauschalen Defizite erwirtschaften. Die Festschreibung der Landeszuschüsse für Forschung und Lehre verschärft diese Finanzierungslücke. 

Die Mitarbeiter der Unikliniken im Südwesten sind unzufrieden: Die zeitliche Belastung allein in der Krankenversorgung mit einer überbordenden Bürokratie geht mit Wochenarbeitszeiten von 50 Stunden und mehr einher. Daneben können Aufgaben in Forschung und Lehre kaum mehr bewältigt werden. Die Kündigung von Tarifverträgen zu Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie zur Arbeitszeit trifft insbesondere die wissenschaftlichen Mitarbeiter mit einer Lohneinbuße von bis zu 10 Prozent. 

Die Folgen sind offensichtlich: Es kommt zu Leistungseinschränkungen, und ein Qualitäts- und Substanzverlust in Forschung, Lehre und Krankenversorgung ist unvermeidbar. Ärztinnen und Ärzte flüchten aus der Universitäts-Medizin: Neben sinkenden Studentenzahlen bzw. Studienabschlüssen gehen junge Mediziner vermehrt in nicht-klinische Berufsfelder oder ins Ausland; es ist ein Ärzte-Mangel sowohl in der Krankenversorgung als auch in der Forschung entstanden. Die hochschulmedizinische Ausbildung krankt, so ist beispielsweise das Fach „Allgemeinmedizin“ an bundesweit 37 medizinischen Fakultäten, Hochschulen und Fachbereichen nur punktuell institutionalisiert; hinzu kommt, dass die finanzielle und sächliche Ausstattung überwiegend nicht ausreicht.

Forderungen der Ärzteschaft, die sich aus dem interdisziplinären Workshop der Landesärztekammer Baden-Württemberg ergeben haben:

Neben der in erster Linie nötigen finanziellen Aufbesserung (sowohl der Entgelte durch die Krankenkassen als auch des Landeszuschusses und der Finanzierung des Hochschulbaus durch den Bund) und einer leistungsadäquaten Bezahlung müssen auch strukturelle Veränderungen erfolgen:

  • Stärker leistungsbezogene Mittelvergabe
  • Verbesserte Drittmittelförderung: Längere Förderlaufzeiten und personenbezogene Förderung
  • Größere Selbständigkeit und mehr Wettbewerb der Universitätsklinika untereinander
  • Professionalisierung der Leitungsstrukturen
  • Institutionalisierung der Allgemeinmedizin in Forschung und Lehre
  • Institutionalisierte Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten
  • Zeitliche Befristung von Führungspositionen
  • Längere Vertragslaufzeiten für Ärztinnen und Ärzte, die Weiterbildung und Laufbahn planbar machen
  • Finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter
  • Bessere Arbeitsorganisation und Entlastung von nicht ärztlichen Aufgaben

Zur Sicherung einer guten medizinischen Versorgung ist die Hochleistungsmedizin unverzichtbar. Universitätskliniken haben dabei eine große Bedeutung. Sie bieten die Voraussetzung, dass die breite Bevölkerung am medizinischen Fortschritt teilhaben kann. Eine gesicherte finanzielle Basis ist aber die Grundlage für Innovationen durch die Hochschulmedizin, die letztendlich jedem Bürger zugute kommen. Ziel muss es sein, sicherzustellen, dass der medizinische Fortschritt auch künftig finanziert werden kann und die Mediziner sich wieder ihren Aufgaben in Krankenversorgung, Forschung und Lehre widmen können.

 

Stand: 11.03.2005

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letzte Änderung am 11.03.2005