"Es gibt keine Überkapazitäten, sondern bereits Mangel"

Statement des Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, zur Studie "Effizienzreserven im Gesundheitswesen"

Zur Studie "Effizienzreserven im Gesundheitswesen", die das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung und die Universität Duisburg-Essen im Auftrag der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" erstellt haben, erklärt Prof. Hoppe: "Wer heute noch Effizienzreserven im Gesundheitswesen behauptet, für den ist auch die Klimaerwärmung mit dem ersten Schneefall widerlegt. Infolge der demografischen Entwicklung steigt der Versorgungsbedarf ständig, aber wir haben schon jetzt nicht mehr ausreichend Ärzte und Pflegepersonal. Krankenhäuser verfallen, die Arbeitsverdichtung in Klinik und Praxis ist grenzwertig und die Bezahlung unzureichend. Nach Angaben der OECD sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Deutschland zwischen 2000 und 2005 real nur um 1,3 Prozent gestiegen. Ein geringeres Plus gab es in keinem anderen der 30 OECD-Mitgliedstaaten - der Durchschnitt lag bei 4,3 Prozent Steigerung pro Jahr. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheitsgüter und -dienstleistungen lag Deutschland nur noch auf Platz 10 im OECD-Vergleich, hinter Ländern wie Österreich, Belgien und Kanada.

In der Präsentation einer Studie mit wissenschaftlichem Anspruch hätte man solche Fakten erwarten dürfen. Auch scheint den Gesundheitsökonomen dieser Studie verborgen geblieben zu sein, dass das Niveau unserer heutigen Versorgung nur durch das vielfache kostenfreie Engagement von Ärzten und Gesundheitsberufen aufrecht erhalten wird.

Eine "Neue Soziale Marktwirtschaft", wie die Arbeitgeber ihre Initiative nennen, hätte zunächst einmal den tatsächlichen Versorgungsbedarf in unserer Gesellschaft ermitteln müssen. Dann wäre leicht zu erkennen gewesen, dass wir keine Überkapazitäten haben, sondern schon heute in vielen Bereichen eine gravierende Mangelversorgung. Offensichtliches Ziel dieser Initiative ist es wohl, die sozial bewährte Breitenversorgung Deutschlands auf ein für die Arbeitgeber billiges Modell der Grundversorgung zu reduzieren."

Wie die Autoren der Studie ermittelt haben wollen, der Studie sollen im Gesundheitswesen 5,6 bis 9,8 Milliarden Euro eingespart werden können. Damit läge der Beitragssatz um 0,6 bis ein Prozentpunkte niedriger, ohne dass es angeblich zu Qualitätseinbußen im Gesundheitswesen komme.

Stand: 09.01.2009

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letzte Änderung am 09.01.2009