Entschließungen der 6. Vertreterversammlung am 18. Juli 2009

Abrechnungen von IGeL-Leistungen

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg beauftragt den Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg, möglichst umgehend zum Thema "Nichtabrechnung und Falschabrechnung von IGeL-Leistungen" im Ärzteblatt Baden-Württemberg, auf der Homepage der Landesärztekammer sowie in einem Rundschreiben an die Ärzte in Baden-Württemberg Stellung zu nehmen, um weiteren öffentlichen Schaden (durch u.a. Presseberichte) der Ärzteschaft zu vermeiden. 

Begründung: 
Es wird von Kolleginnen und Kollegen zunehmend aufgebracht berichtet, dass diese Schaden nehmen wegen Falsch- bzw. Nicht-Abrechnung von eindeutigen IGeL-Leistungen durch benachbarte Kolleg(inn)en.

Diese Kolleg(inn)en stehen dann, wie von der Berufsordnung verlangt (gem. § 12, 1), nach GOÄ abrechnend (und den Schwellenwert des Faktor 1.0 nicht unterschreitend) gegenüber den nichts als die GKV-Chip-Karte verlangenden Kollegen (IGeL für den Patienten ohne Kostenaufwand) wie die sog. "Abzocker" da und überlegen sich in der Folge unterschiedliche Reaktionen:

1. Ich rechne dann genauso illegal über Chipkarte ab
2. ich zeige den/die Kollegen/in bei der Ärztekammer an wegen Verstoß gegen die Berufsordnung
3. ich zeige den/die Kollegen/in bei der KV wegen Abrechnungsbetrugs an (Abrechnung über Chipkarte)
4. ich zeige den/die Kollegen/in bei der Krankenkasse an

Bei der "Falsch- bzw. Nicht"-Abrechnung von eindeutigen IGeL-Leistungen wurden beispielhaft folgende Leistungen benannt:

Hochzeitsfähigkeitsuntersuchung für türkische Frauen oder Männer,
Akupunkturleistungen gegen Migräne und Allergien, zur Gewichtsabnahme oder Raucherentwöhnung, beim Schulter-Arm-Syndrom; HIV-Vorsorgetest/ Partnerschaftstest, Berufstauglichkeitsuntersuchung, Immunstimulationstherapien bei Infektanfälligkeit, Reiseberatung (z.B. für Studenten vor Thailand- oder Indienreisen), Bonusbescheinigungen für Krankenkassen, kostenlose Gefälligkeitsattests u.a. 

Die Kolleg(inn)en sehen diese illegalen Aktivitäten i.R. eines sog. "Praxis-Marketing zur Gewinnung neuer Patienten bzw. der des Nachbarkollegen". Dass hier auch die zunehmend desaströse Honorarentwicklung der Ärzte ein Übriges an falschen Energien freisetzt, ist nicht von der Hand zu weisen!

Förderung Allgemeinmedizin

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert auf, zur Förderung des Nachwuchses in der Allgemeinmedizin in Baden-Württemberg bei der Ärztekammer eine Koordinierungsstelle einzurichten. 

Aufgabe dieser Stelle ist es, die Etablierung von Weiterbildungsverbünden besonders im ländlichen Raum zu fördern, zu unterstützen und organisatorisch zu begleiten.

Ziel muss es sein, dass die angehenden Hausärztinnen und -ärzte den gesamten Weiterbildungszeitraum (stationär und ambulant) ohne zeitliche Verzögerung und größere Ortswechsel absolvieren können.

Zur Finanzierung der Koordinierungsstelle müssen Landesmittel zur Verfügung gestellt werden, da die Erhaltung und Sicherung der hausärztlichen Versorgung besonders im ländlichen Raum nicht nur Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltungen ist.

Finanzierung der ambulanten Gesundheitsversorgung

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert die Bundesregierung auf, zu ihrer Zusage zu stehen und für die ambulante Versorgung in Baden-Württemberg in 2009 zusätzliche Mittel in der GKV zur Verfügung zu stellen, damit die Stützung aller Praxen, die hohe Verluste erleiden werden, auf mindestens 95 % des Vorjahresumsatzes rechtssicher erfolgen kann.

Begründung: 
Nach Jahren der Budgetierung, des Rückgangs des Anteils für die ambulante Versorgung an den Ausgaben der GKV sehen sich nun 19.000 niedergelassene Ärzte im Land Baden-Württemberg schon durch die jüngste "4. Abschlagszahlung" mit einem existenzbedrohenden Umsatzrückgang konfrontiert.

Die KVBW hofft, das Minus von "nur" 5% garantieren zu können, vorerst für 2009. Danach wird nach gültiger Gesetzeslage definitiv die ambulante Versorgung in Baden-Württemberg ausgehungert und demontiert.

In Zeiten der Finanzkrise werden mit Steuergeldern Arbeitsplätze in insolventen Betrieben gesichert. Gleichzeitig wird von der Politik bewusst in Kauf genommen, dass in über 10.000 mittelständischen Betrieben Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze, die Existenzgrundlage von weit über 100.000 Ärzten und Mitarbeitern in den Praxen samt deren Familien, in Frage gestellt wird.

Finanzierung der stationären Gesundheitsversorgung

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, verbindliche Zusagen zu den Investitionskosten der Kliniken im Land zu machen, die eine weiterhin qualitativ hochwertige Versorgung der Bürger auch in der Fläche garantieren.

Begründung:
Auf Bundesebene, ist konsentiert, die duale Krankenhausfinanzierung fortzuführen. Ein Hauptgrund ist die Daseinsvorsorge als hoheitliche Aufgabe.

Dennoch kommt das Land den bewusst eingegangenen Verpflichtungen nur unzureichend nach und lässt die kommunalen und privaten Klinikträger mit dem größten Teil der Investitionskosten der Kliniken, die über die Behandlungsentgelte nicht gedeckt sind, allein.

Die Mittel aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm sind begrenzt für 2009 und bei weitem unzureichend für dringend nötige Sanierungen und strukturelle Maßnahmen. Ab 2010 droht eine noch dramatischeres Defizit für die Krankenhäuser.

Eine ehrliche und solide Finanzierung der Investitionskosten ist im dualen System die Voraussetzung für einen geordneten Klinikbetrieb und für eine leistungsgerechte Bezahlung der Mitarbeiter der Kliniken im ärztlichen Bereich und in der Pflege.

Kündigung der Verträge mit ARGE

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert aufgrund der Beschlüsse des 112. Deutschen Ärztetages in Mainz den Vorstand der Landesärztekammer auf,

  1. zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Verträge mit der ARGE in Baden-Württemberg im Rahmen des Projektes eGK aufzukündigen.
  2. Bevor weitere Modellversuche im Rahmen eines 100.000 Testes in der Modellregion Heilbronn umgesetzt werden, sind die niedergelassenen Vertragärzte anzuschreiben, inwieweit sie überhaupt bereit sind, sich an weiteren Modelprojekten zu beteiligen. Die Testärzte sind zu vergüten. Eine 100 % Finanzierung der Hardwareanschaffungen sowie der Installationskosten muss im Rahmen eines 100 000 Modellversuches für alle teilnehmenden Kollegen gewährleistet sein. 
  3. Weiter wird der Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg aufgefordert, das Basis Rollout, in dem es um den Austausch von bestehenden Kartenlesegeräten durch neue eGK-fähige Lesegeräte geht, in Baden Württemberg politisch zu verhindern, bis 1. die technischen Probleme nicht vollständig ausgeräumt sind und 2. die 100% Finanzierung der Geräte und des Installationsaufwandes in den Arztpraxen durch die Krankenkassen nicht zugesichert ist. 

Begründung:
Die Ministerin bleibt bei der geplanten Einführung der eGK zum 1. Oktober 2009.
Angesichts leerer Kassen, ein Übergreifen der Finanzkrise auf die Sozialsysteme sowie offener und schleichender Rationierung medizinischer Leistungen, will die baden-württembergische Ärzteschaft sich ein solches Milliarden-Grab nicht leisten. Die knappen Mittel werden anderswo dringender gebraucht.

Dieser Antrag stellt keinen Boykott der Ärzteschaft zur geplanten Einführung der eGK dar, sondern soll auf die Defizite aufmerksam machen, die es bei der Einführung und des Basis Roll out der eGK gibt. Die Verantwortlichen in Politik u. in der Gematik müssen akzeptieren, dass die Ärzteschaft nicht der Steigbügelhalter für eine verkorkste Planung bei der Einführung der Gesundheitskarte sein wird. 

Die Ergebnisse der bisherigen Testung der eGK in den sieben Regionen haben zu ernüchternden Ergebnissen geführt. Sie sind nicht geeignet, um die Akzeptanz der eGK bei den niedergelassen Vertragsärzten zu erhöhen. Die Vertragsärzte sind nicht bereit, eine unausgereifte Technik im Praxisalltag anzuwenden.

Eine Praxis, die über kein entsprechendes Lesegerät verfügt, kann keine Leistungen im Rahmen von GKV Versicherten abrechnen. Eine Finanzierung der neu anzuschaffenden Lesegeräte zu Lasten der Vertragsärzte oder Vertragspsychotherapeuten ist inakzeptabel. Dies ist Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen.

Solange keine Investitionssicherheit gegeben ist, werden wir uns weder an den Kosten zum Aufbau der Infrastruktur für den geplanten Basis-Rollout der Karte beteiligen, noch Gesundheitskarten im Zuge von Testmaßnahmen herausgeben. Alle laufenden Testungen werden beendet.

Genitalverstümmelung und deren medizinischen Folgen

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass die Kenntnis der Genitalverstümmelung sowie deren medizinische Folgen in die Curricula des medizinischen Studiums aufgenommen wird. 

Begründung: 
In der Bundesrepublik Deutschland leben 20.000 Betroffene und 4000 Mädchen, die dem Risiko der illegalen Beschneidung ausgesetzt sind. Eine Umfrage bei Ärzten/Ärztinnen (incl. Gynäkolog/Innen) hat ergeben, dass 90 % der Befragten keine Kenntnisse über Genitalverstümmelung und ihre gesundheitlichen Folgen besitzen und somit keine qualifizierte Behandlung erfolgen kann. 

Umgang mit beschnittenen Frauen

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer spricht sich dafür aus, dass die Empfehlungen der Bundesärztekammer zum Umgang mit genitalbeschnittenen Frauen in Richtlinien umgewandelt werden sollen.

Begründung:
Bei Anleitungen besteht kein berufsrechtlicher Überhang.
Es kann aber nicht sein, dass Ärzte in Deutschland Genitalbeschneidungen oder nach der Geburt des Kindes ein Reinfibulation durchführen können, ohne dass sich hieraus berufsrechtliche Konsequenzen ergeben.

Stand: 20.07.2008

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letzte Änderung am 20.07.2008