Entschließungen der 7. Vertreterversammlung vom 21. November 2009

Absoluter Schutz vor staatlicher Überwachung

Die Koalitionsparteien haben angekündigt, die in der Strafprozessordnung (StPO) bestehende Ungleichbehandlung der zeugnisverweigerungsberechtigten Berufe teilweise aufzuheben und zukünftig Anwälte in den absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 StPO aufzunehmen. Damit wird anerkannt, dass die bisherige Praxis der staatlichen Überwachung von Berufsgeheimnisträgern keine glaubwürdige rechtliche Grundlage hat. Anders als für Anwälte sieht der Koalitionsvertrag für Ärzte und andere Berufsgeheimnisträger allerdings nur eine Prüfung vor, ob die Einbeziehung in den absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 StPO angezeigt ist.

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg erwartet, dass auch Ärzten und psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jungendlichen Psychotherapeuten zukünftig der absolute Schutz des § 160a Abs. 1 StPO zukommt. Es ist vollkommen unverständlich, Berufsgeheimnisträger in eine schützenswerte und weniger schützenswerte Gruppe zu unterteilen. Der Gesetzgeber hat ein nicht zu rechtfertigendes Zwei-Klassen-System bei Berufsgeheimnisträgern geschaffen, das die Aushöhlung des Patienten-Arzt-Verhältnisses zur Folge hat.

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert die Bundesregierung auf, dieses Zwei-Klassen-System abzuschaffen. Auch für Ärzte, Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten muss ein absolutes Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot gelten.

Zukünftige Finanzierung des Gesundheitssystems

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg sieht in den Aussagen der Koalitionsvereinbarung zur Gesundheitspolitik grundsätzlich die Chance zu einer sachgerechten Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems und seiner Finanzierung. Durch Ausweitung des Steueranteils werden zusätzliche Einkommensarten einbezogen, die derzeit durch die Beschränkung auf den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil nicht berücksichtigt werden. Der fixierte Arbeitgeberanteil bringt auch Krankenhäusern eine Planungssicherheit, so dass keine zusätzlichen Einsparungen auf Grund gestiegener Krankenkassenbeiträge erfolgen müssen. 

Der zwingend notwendige ergänzende Steueranteil, über den der Solidarausgleich erfolgen soll, darf aber nicht eine beliebige floatende Größe nach Kassenlage des Bundes werden. Die neue Bundesregierung muss in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs festlegen, wozu die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung ausgegeben werden sollen. Hierzu ist die Diskussion zur Priorisierung hilfreich. Sie muss daher geführt werden. Die danach notwendigen Steuermittel müssen verlässlich und nachhaltig zur Verfügung stehen. Hierzu können auch erhöhte Steuern auf Genussmittel jeglicher Art eine Verwendung finden.

Sicherheit der Finanzierungsgrundlagen im ambulanten Bereich

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg fordert die Landesregierung Baden-Württemberg auf, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um den Mittelabfluss und die Verwerfungen durch Gesundheitsfonds und EBM-Reform umgehend, d.h. bereits für 2010 zu korrigieren.

Begründung:
Der Koalitionsvertrag bekennt sich eindeutig zur ambulanten Versorgung durch freiberuflich tätige Vertragsärzte. Die überwiegend gute Versorgung in Baden-Württemberg darf nicht gefährdet werden. Praxen auch auf dem Land müssen überlebensfähig und für junge Kollegen attraktiv sein, sonst gehen noch so ausgefeilte Förderprogramme - z.B. für Allgemeinmedizin - ins Leere.

Eine Korrektur muss schnell kommen. Die niedergelassenen Ärzte in Baden-Württemberg können nicht auf ein Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene bis 2011 ff. warten.

Arbeitsteilung in Praxis und Klinik

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg beauftragt den Vorstand, eine Konzeption für die Arbeitsteilung der verschiedenen Berufsgruppen in Praxis und Krankenhaus vorzubereiten.

Diese Konzeption soll den Stellenwert ärztlicher Kompetenz, Leistung und Verantwortung darlegen und das Verhältnis gegenüber neu konzeptionierten Berufsgruppen bewerten.
Ziel muss sein, die Qualität der Krankenversorgung weiter zu optimieren.

Änderung der Satzung der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer fordert die neu gewählten Mitglieder zur Vertreterversammlung der Versorgungsanstalt der Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte und damit die Vertreterversammlung auf, Paragraph 27 der Satzung der Versorgungsanstalt dahingehend zu ändern, dass in Zukunft nicht nur Witwer und Witwen aus (verschiedengeschlechtlichen) Ehen, sondern auch verwitwete Partner und Kinder aus eingetragenen Lebenspartnerschaften eine Hinterbliebenenrente erhalten.

Bis zum Inkrafttreten einer neuen Satzung soll dies im Rahmen der Ermessensleistungen regelhaft zugebilligt werden.

Begründung:
Durch eine solche Satzungsänderung würde eine zeitgemäße Regelung zur Hinterbliebenenversorgung erreicht wie sie bei anderen Rentenversicherungen bereits festgelegt ist.

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer und die Versorgungsanstalt würden damit ein deutliches Zeichen gegen die Diskriminierung und inhaltlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften setzen.

Dies in Anbetracht der Tatsache, dass aufgrund der aktuellen Rechtssprechung und der Maßgaben der EU in absehbarer Zeit die Versorgungsanstalt ohnehin durch den Gesetzgeber oder die Gerichte zu einem solchen Schritt gezwungen wird und sich so ein teures und dem Ansehen schädliches Gerichtsverfahren erspart.

Auf hinterbliebene Kinder wird ausdrücklich eingegangen, da in eingetragenen Partnerschaften nur ein Partner als Elternteil für die Kinder, seien es leibliche oder adoptierte, gesetzlich anerkannt ist. Stirbt in einer solchen Beziehung der nicht als Eltern anerkannte Partner, steht den verwaisten Kindern keine Waisenrente zu.

Elektronische Gesundheitskarte und Verbesserung der Schnittstellen

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg begrüßt eine Bestandsaufnahme des Telematik-Projektes. Durch Umsetzung vieler Forderungen des Deutschen Ärztetages sind wir auf dem richtigen Weg. Viele Schnittstellenprobleme zwischen Hausärzten und Fachärzten, niedergelassenen Ärzten und Krankenhaus können aber nur dann effizient gelöst werden, wenn unter strikter Wahrung des Datenschutzes den jeweils behandelnden Ärzten medizinische Informationen zum Patienten in digitaler Form zur Verfügung stehen. Unter Beachtung der Vorgaben des Deutschen Ärztetages wird sich die baden-württembergische Ärzteschaft bei der Weiterentwicklung der Gesundheitstelematik-Struktur unterstützend einbringen.

Begründung:
Das europäische Eisenbahnnetz ist ein gutes Beispiel für eine nicht abgestimmte Schaffung von Infrastrukturen. Die europäischen Bürger müssen jetzt mit hohen Investitionskosten die Angleichung von Schienenbreiten und Oberleitungen und Elektrik von Lokomotiven bezahlen. Dies muss durch eine einheitliche Gesundheitstelematik-Struktur verhindert werden.

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg begrüßt eine Bestandsaufnahme des Telematik-Projektes. Durch Umsetzung vieler Forderungen des Deutschen Ärztetages sind wir auf dem richtigen Weg. Viele Schnittstellenprobleme zwischen Hausärzten und Fachärzten, niedergelassenen Ärzten und Krankenhaus können aber nur dann effizient gelöst werden, wenn unter strikter Wahrung des Datenschutzes den jeweils behandelnden Ärzten medizinische Informationen zum Patienten in digitaler Form zur Verfügung stehen. Unter Beachtung der Vorgaben des Deutschen Ärztetages wird sich die baden-württembergische Ärzteschaft bei der Weiterentwicklung der Gesundheitstelematik-Struktur unterstützend einbringen.

Evaluation der Weiterbildung 2009

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg hat die Evaluation der Weiterbildung begrüßt und engagiert durchgeführt. Die noch nicht so hohe Beteiligung bei der erstmaligen Online-Befragung wird man wohl hinnehmen müssen. Es ist aber nicht hinnehmbar, dass die Ergebnisse der Evaluation erst im Verlauf des ersten Quartals 2010 veröffentlicht werden sollen. 

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer fordert die Bundesärztekammer auf, die Ergebnisse den Landesärztekammern noch im Dezember zur Verfügung zu stellen, damit noch dieses Jahr eine Veröffentlichung erfolgen kann. Die engagierten Teilnehmer an der Evaluation der Weiterbildung 2009, sowohl die Weiterbilder als auch die Assistentinnen und Assistenten, fragen zu Recht, wo die Ergebnisse bleiben.

Stand: 23.11.2009

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letzte Änderung am 23.11.2009