Baden-Württembergischer Ärztetag sucht am Samstag nach Lösungen für den Ärztemangel

"Die Alten gehen, die Jungen flüchten"

Im Vorfeld des Baden-Württembergischen Ärztetags, der am Samstag, 21. Juli 2012 im
SI-Centrum in Stuttgart stattfindet, analysiert Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, die aktuelle ärztliche Versorgungssituation: "In Baden-Württemberg finden viele Haus- und Fachärzte kaum Nachfolger. Klinikstellen in ländlichen Gebieten, aber auch in Großstädten können häufig nicht mehr besetzt werden. Dies alles führt dazu, dass unser Gesundheitswesen zunehmend von der Anwerbung ausländischer Ärzte abhängig wird." Dabei sei aufgrund der demografischen Entwicklung der Bevölkerung und der damit einhergehenden Wandlung des Erkrankungsspektrums und der Ausweitung der Multimorbidität künftig eine höhere Zahl an Ärzten notwendig. Zudem: "Es liegt auf der Hand, dass auch der medizinische Fortschritt zu einem höheren Behandlungsaufwand und damit zu einem steigendem Ärztebedarf führt", betont der gewählte Vertreter der rund 60.000 Ärztinnen und Ärzte im Südwesten.

Dr. Clever, der selbst als niedergelassener Facharzt für Frauenheilkunde in Freiburg tätig ist, untermauert seine Aussagen mit eindeutigen Zahlen: Demnach steigt das Durchschnittsalter sowohl der Vertrags- als auch Krankenhausärzte kontinuierlich an, während der ärztliche Nachwuchs abnimmt. "Schon heute arbeiten zwölf Prozent der Absolventen nicht kurativ, sondern in anderen Berufsfeldern." Zudem seien von 2001 bis 2011 knapp 3000 Ärztinnen und Ärzte aus Baden-Württemberg ins Ausland abgewandert, beispielsweise in die Schweiz, die USA, nach Österreich und Großbritannien. Der wachsende Frauenanteil - rund 60 Prozent der Medizinstudierenden seien mittlerweile Frauen - führe zu weniger Vollzeitstellen, da Frauen sich oft intensiver familiären Aufgaben widmeten.

Dr. Clevers Diagnose ist eindeutig: "Die älteren Ärztinnen und Ärzte finden keine Nachfolger und gehen in den verdienten Ruhestand, während die jüngeren in attraktivere Berufsfelder und andere Länder flüchten. Unsere ärztliche Versorgung droht auszubluten, wenn jetzt nichts geschieht. Gemeinsam mit Politik und Gesellschaft wollen wir den Arztberuf und seine Rahmenbedingungen endlich wieder attraktiver und nachhaltig gestalten."
Was genau sich ändern muss, damit Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf wieder vermehrt in den Krankenhäusern und Praxen unseres Landes ausüben, das diskutiert die Landesärztekammer Baden-Württemberg am Samstag beim Baden-Württembergischen Ärztetag in Stuttgart. Neben Medizinern aus allen Landesteilen nehmen unter anderem auch führende Köpfe aus Politik und Verwaltung teil, daneben haben beispielsweise auch Vertreter der Krankenkassen sowie weiterer Unternehmen und Organisationen im Gesundheitswesen ihr Kommen zugesagt, insgesamt über 200 Personen. Zudem findet im Vorfeld des Ärztetags am Freitag bereits die Vertreterversammlung der Landesärztekammer Baden-Württemberg statt; die 96 Delegierten debattieren unter anderem über aktuelle gesundheitspolitische Themen sowie über die Weiterentwicklung ihrer Berufs- und Weiterbildungsordnung.

Referenten beim Baden-Württembergischen Ärztetag 2012:
Prof. Dr. med. Thomas Zeltner
Honorarprofessor für öffentliches Gesundheitswesen, Universität Bern. Leitete von 1991 bis 2009 das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit. Berät verschiedene Regierungen und Organisationen in Gesundheitsfragen.
Dr. med. Harald Kamps
Facharzt für Allgemeinmedizin in Berlin. Zuvor Tätigkeiten in Norwegen als Landarzt, als Projektleiter eines Netzwerkes Palliativmedizin sowie als Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin.
Dr. med. Martina Wenker
Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin, Schlafmedizin und Qualitätsmanagement. Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer.

Moderator
Franz Knieps
Jurist und Krankenversicherungsexperte. Von 2003 bis 2009 Abteilungsleiter im Bundesministerium für Gesundheit. Seither als Partner bei Wiese Consult im Gesundheitswesen beratend tätig.

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letzte Änderung am 17.07.2012